In interkulturellen Gewässern/ Projektwerkstatt auf große Fahrt Jugendliche segeln gemeinsam „Leinen los“ erschallte es im Juli 2002 auf der Lovis. Das zweimastrige Segelschiff im Hafen von Kappeln brach zum Segeltörn in der Ostsee auf. Leinen los hieß es für einen Teil der Besatzung im doppelten Sinn: Denn von den 21 Kindern und Jugendlichen an Bord waren 9 Flüchtlinge, die für die kommenden 5 Tagen von Residenzpflicht, Leben im Sammellager und diskriminierendem Gutscheineinkauf befreit sein sollten. Die kommenden Herausforderungen hießen Wind und Wetter, Muskelkater und Seekrankheit. Die Idee zu dem erlebnispädagogischen Trip hatten die beiden Hildesheimer Studentinnen Julia Paulsen und Flora Hirshfeld. Sie waren es auch, die für die Flüchtlingskinder und -jugendlichen erfolgreich eine Befreiung von der Residenzpflicht bei der Ausländerbehörde bewirkten. Mit Hilfe von Stiftungs- und EU-Projektgeldern gelang es, die Fahrt weitgehend zu finanzieren. So konnten auch Jugendliche mitfahren, deren Eltern, verwiesen auf die Mangelversorgung des Asylbewerberleistungsgesetzes, häufig nicht einmal alltägliche Bedürfnisse befriedigen können. Die erste schwierige Aufgabe an Bord für die Kinder und Jugendlichen hieß Segel auspacken, setzen, einpacken. Klappte es mit dem eigenen Segel mal nicht so wie gedacht, fand sich immer jemand anderer bereit, mitanzufassen. Mutige probierten sich beim Navigieren beim Kapitän oder beim Steuern nach Kompass aus. Keineswegs erschöpft von den Pflichten an Bord blieb genügend Raum für Kreatives: Ein Schimpfwörter-Wettbewerb per Lautsprecher sorgte für lang anhaltende Begeisterung. Nicht weniger Spaß hatte die Gruppe beim beliebtesten Sport an Bord: Die Namensgebung von im Eimer gefangenen Quallen. Nach erfolgter Taufe wurden die Quallen samt Namen wieder freigelassen. Zu den verschiedenen seemännischen Knoten haben sich einige Jugendliche Geschichten ausgedacht und ein kleines Schauspiel konstruiert. Auch Musik und Rap durften nicht fehlen. Freilich nicht von allen Jugendlichen geteilt wurde die Freude darüber, die frisch gefangenen Schollen eigenhändig den Garaus zu machen, um sie abends auf dem eigenen Teller wiederfinden zu können. Die Idee der Organisatorinnen war es, im gemeinsamen Segelerlebnis intensiven und nachhaltigen Kontakt zwischen Flüchtlingen und Jugendlichen ohne Fluchthintergrund herzustellen und so Integration zu fördern. „Wir wollten den Flüchtlingskindern das Gefühl geben, dass auch sie ein Teil unserer Gesellschaft sind“ sagt Julia Paulsen. Deutsche wie ausländische Jugendliche sollten durch das Zusammenleben auf engstem Raum Vorurteile überwinden und Toleranz hautnah erfahren können. Flora Hirshfeld wundert es nicht, dass manche Flüchtlingskinder in ihrer Freizeit wenig Kontakt zu Gleichaltrigen außerhalb ihres Wohnheims haben: „Diese ganzen gesetzlichen Sonderregelungen. Sie müssen so viele Verbote beachten, das kann ein Kind oder ein Jugendlicher überhaupt nicht verstehen“. Dennoch hat sich für die Veranstalterinnen gezeigt, dass die Sorge, man müsse im Integrationsprozess an Bord vor allem die sprachlichen „Defizite“ der Flüchtlinge im Auge haben, überflüssig ist. Julia Paulsen: „Schon nach den ersten Kontakten ist mir klar geworden, Probleme aufgrund der Sprachbarrieren werden uns wohl kaum erfassen. Viele der Jugendlichen sprechen deutsch, als ob es ihre Muttersprache ist.“ Und so klappte das Zusammenleben auf einem engen Schiff, das die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf hoher See zum gemeinsamen Erfolg oder Misserfolg verdammt, unerwartet gut. Keiner wollte am Ende das Schiff auch nur einen Tag früher verlassen. Zum Abschied gab es herzliche Umarmungen und den Wunsch vieler, im nächsten Jahr wieder dabeizusein.

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