Die Odyssee des Herrn H.
    Flucht ohne Papiere in Zeiten von Billigflügen und Round-the-World-Tickets

    Herr H. aus Afghanistan lebt in einer norddeutschen Stadt. Sein aktuell größter Wunsch ist es, eine feste Arbeit zu finden, denn dann können endlich seine zurzeit im Iran lebende Frau und ihr gemeinsamer Sohn nach Deutschland kommen. Seit vier Jahren warten sie auf das Wiedersehen, mehrere Jahre lang hatten sie den Kontakt verloren.

    Zu Beginn waren sie noch gemeinsam geflüchtet. Aus Afghanistan in den benachbarten Iran. Heimlich mussten sie die Grenze überqueren, da weder sie noch ihr damals zweijähriger Sohn Papiere besaßen. Eine wirkliche Lebensperspektive würden sie als afghanische Flüchtlinge im Iran nicht haben. Sie wollten weiter und informierten sich über Möglichkeiten, nach Europa zu gelangen.

    Schnell wurde klar, dass die Weiterreise strapaziös und kostspielig werden würde. Daher entschloss sich Herr H., es alleine zu versuchen. Nach seiner Ankunft würde er seine Familie auf einfacherem und sichererem Wege zu sich holen.

    Herr H. hätte niemals erwartet, dass seine weitere Flucht vier Jahre dauern würde! Er bewältigte sie zu Fuß, in einem Schlauchboot, per Fähre, unter einem LKW, in Bus und Bahn. Sie führte ihn über die Türkei nach Griechenland, von Italien in die Schweiz, durch Deutschland und Dänemark nach Schweden und endete nun doch wieder in Deutschland. Sie brachte ihn an seine physischen und psychischen Grenzen. Viel Prügel hat Herr H. einstecken müssen, beinahe wäre er zwischen der Türkei und Griechenland im Mittelmeer ertrunken, als die griechische Polizei ihn und andere Flüchtlinge zurück auf ihr defektes Schlauchboot zwang, ein Jahr lang wartete er in der Schweiz auf Asyl und wurde enttäuscht. Eine Abschiebung nach Afghanistan drohte.

    Auch in Deutschland war sein Asylbegehren zunächst nicht erfolgreich. Erst vor Gericht konnte er Abschiebeschutz und eine Aufenthaltserlaubnis erstreiten. Inzwischen gelang es außerdem, den Kontakt zu seiner Familie wiederherzustellen. Aber wann sie erneut vereint sein werden, bleibt unklar, denn ohne ausreichendes Einkommen werden seiner Frau und dem inzwischen sechsjährigen Sohn keine Einreiseerlaubnisse gewährt.