Kolonialismus gestern und heute
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An den Grenzen, im Kopf, im Geldbeutel.
Der Kolonialismus ist noch lange nicht vorbei.
Menschen, die bei dem Versuch, nach Europa zu gelangen, scheitern und im Mittelmeer ertrinken, werden zu einer „ständig wachsenden Liste der Opfer kolonialer Ungerechtigkeit hinzugefügt“ (The VOICE Refugee Forum).
Die Gründe für eine Flucht nach Europa und die Schwierigkeiten als Flüchtling legal in die Europäische Union zu gelangen, können nicht unabhängig von der Kolonialgeschichte betrachtet werden. Ebenso ist das Leben als Flüchtling z.B. in Deutschland von Kontinuitäten des Kolonialismus geprägt.
Unser Wohlstand in den westlichen, industrialisierten Ländern basiert auf der kolonialen Geschichte und den daraus resultierenden, bis heute bestehenden Ungerechtigkeiten. Die Beziehungen zwischen einerseits Staaten Afrikas, Südamerikas und Asiens sowie Europa andererseits wurden geprägt von Ausbeutung und Sklaverei und sind bis in die Gegenwart hinein keine Beziehungen zwischen gleichwertigen Partnern.
Für die geschilderten Zusammenhänge gibt es zahlreiche Beispiele.
- Unter anderem in Kamerun wurden vorhandene Organisationsstrukturen während der deutschen Kolonialzeit zerstört und ein zentralistisches Regierungssystem neu installiert. Dieses fördert bis heute Korruption und ver/behindert gleichzeitig politische Teilhabe der Bevölkerung sowie eine demokratische Kultur. Im Unabhängigkeitskampf und im Widerstand gegen die spätere Kolonialmacht Frankreich verloren tausende Kameruner_innen ihr Leben, doch noch heutzutage wird der langjährige Präsident von Frankreich gestützt.
- Hoch verschuldete Länder wie z.B. Somalia verkaufen notgedrungen ihre Fischereirechte an ausländische Fangflotten. Während der Fisch im größtenteils wohlgenährten Europa auf dem Tisch landet, bedeutet dies einen Entzug der Nahrungs- und Einkommensgrundlage vieler an den Küsten lebender Menschen.
- Die Wirtschaftspolitik der Kolonialmächte war darauf ausgelegt, Rohstoffe aus den Kolonien herauszuziehen oder durch Versklavung an billige Arbeitskräfte heranzukommen. Bis heute haben viele ehemalige Kolonien eine wirtschaftliche Außenorientierung, oft mit den gleichen Produkten, wie in der Kolonialzeit – etwa Kakao oder Baumwolle. Dies hat eine große Abhängigkeit von den importierenden Ländern zur Folge und jene sind gleichzeitig die Nutznießer der wertschöpfenden Veredelungen der Produkte geblieben. Nach wie vor arbeiten vorwiegend in asiatischen und afrikanischen Ländern Menschen unter schlimmsten Bedingungen, um für z.B. europäische Konsument_innen und Firmen Wohlstandsgüter zu produzieren.
Menschen, die sich auf den Weg nach Europa machen, sind auch Menschen, die diesen Asymmetrien entkommen möchten, die deren Auswirkungen am eigenen Leibe erfahren haben. Sie wollen sich nicht mehr innerhalb der bestehenden Abhängigkeiten bewegen, sondern ihr Leben wieder neu in die Hand nehmen.
Ihre brutale und skrupellose Abweisung an den Grenzen sowie die vielfach entwürdigenden Lebensbedingungen von Flüchtlingen und Migrant_innen in Europa sind Ausdruck der Aufrechterhaltung bestehender Asymmetrien. Diese zeigen sich tagtäglich in vielen gesellschaftlichen Bereichen. Auch in der Abschlusserklärung der UN-Rassismuskonferenz von 2001 wird dieser Zusammenhang anerkannt: „Die Weltkonferenz gibt zu, dass Kolonialismus zu Rassismus, rassistischer Diskriminierung, Ausländerfeindlichkeit und damit zusammenhängender Intoleranz geführt hat und dass […] Opfer von Kolonialismus […] weiter unter seinen Folgen leiden.“
Sich für die Rechte von Flüchtlingen weltweit einzusetzen, heißt damit auch, den in der Kolonialzeit wurzelnden Rassismus und die mit ihm verknüpfte Ungleichbehandlung von Menschen aufzuzeigen und letztendlich zu überwinden.
„Wir werden Kämpfer für die Menschenwürde bleiben und Kämpfer für ein Ende der kolonialen Ungerechtigkeit.“ (The VOICE Refugee Forum)